Woran man erkennt, dass man in London ist? Spätestens wenn man zusammen mit etlichen gestressten Menschen in einer muffigen Röhre gequetscht durch die finsteren Tiefen der Metropole rattert und das allbekannte „Mind the gap“ ertönt. Herzlich willkommen in der London Underground! Für die einen verhasstes und überfülltes Transportmittel, für die anderen historische Institution. Fakt ist: Die älteste U-Bahn der Welt ist aus Englands Hauptstadt einfach nicht weg zu denken. Die weltbekannte Tube ist nicht nur ein Meisterwerk der Ingenieurskunst, sondern hat auch zum Thema Design beachtenswertes beigetragen. Was genau erfährst Du in diesem Blog. Garantiert wird Dein Blick auf die U-Bahn beim nächsten London-Besuch ein anderer sein!

Die Geschichte der London Underground reicht weit zurück. Die erste Linie, die Metropolitian line, eröffnete bereits 1863. Ein Grossteil der mit Dampflokomotiven betrieben U-Bahn lag damals noch überirdisch. Heute pumpt die Tube auf 11 Linien täglich bis zu 3.7 Millionen Fahrgäste durch die unterirdischen Venen der Hauptstadt und weist das drittgrösste U-Bahnschienennetz der Welt auf. Was aber würde wohl den meisten Menschen als erstes einfallen, wenn man sie zum Thema London Underground befragen würde? Mit ziemlich grosser Wahrscheinlichkeit das prägnante und weltbekannte blau-rote Logo!

Das Logo
Jeder hat es schon mal gesehen. Nicht nur über den unzähligen U-Bahn Eingängen Londons thront es, man findet es mittlerweile auch auf Tassen, T-Shirts und sonstigen Souvenir-Artikeln. Kaum ein Logo geniesst weltweit einen ähnlichen Kultstatus. Man könnte sogar so weit gehen es als stellvertretendes oder inoffizielles Logo der Stadt London zu bezeichnen. Was aber steckt dahinter?

Der Beginn des 20. Jahrhunderts brachte erhebliche Veränderungen für die londoner U-Bahn mit sich. Der Mann der hauptsächlich mit diesem Wandel in Verbindung gebracht wird ist Frank Pick, damaliger „British transport administrator“. Pick war nicht nur für die Erweiterung des U-Bahnnetzes verantwortlich, sein stark ausgeprägtes visuelles Bewusstsein war auch ausschlaggebend für die Entwicklung einer zeitlosen und funktionalen Corporate identity. Folgendes Zitat von Frank Pick verdeutlicht seine Ambitionen am besten: „Design is not a mode that enters in here and there and may be omitted elsewhere. Design must enter everywhere.”

Über einen Zeitraum von mehreren Jahren wurde ab 1905 Schritt für Schritt eine Weiterentwicklung und Abstrahierung des Logos betrieben. Diese basierte unter anderem auf dem Winged wheel, einem ursprünglichen und durchaus komplexen Symbol, das bis dahin weitgehend benutzt wurde. Mit dem Fokus auf der Funktionalität des Logos, und der Erkenntnis „weniger ist mehr“, entstand das sogenannte Bulls Eye. Die schlichte und prägnante Kombination aus Kreis und Balken (bereits im Winged wheel vorhanden) lieferte die Grundlage für das heutige Logo. Auch die genial-funktionale Idee, den Balken als flexiblen Platzhalter für Schrift (unter anderem die unterschiedlichen Namen der Stationen) zu benutzen, stammt aus dieser Zeit. Jede Station bekam so ganz einfach ihr eigenes, aber trotzdem immer einheitliches Logo. Die Kombination der Farben Rot und Blau kann man unter anderem auf die britische Flagge zurückführen, eine durchaus einleuchtende Wahl, denn das kräftige Rot verfehlt seine Signalwirkung nicht. Ein weiterer Name der im Zusammenhang mit der Logo Entwicklung genannt werden muss, ist Edward Johnston. Dieser britische bekannte Gestalter und Typograph arbeitete investiv an der Schrift und den Proportionen des Symbols. Johnstons fertiges Logo wurde ab 1919 benutzt, und ist immer noch auschlaggebend für das heutige weltbekannte Design.

Der U-Bahn Plan
Absolut revolutionär, ist die Geschichte des heutigen Londoner U-Bahn Plans. Dank seiner Hilfestellung finden sich heute Touristen und Nichteinheimische problemlos im endlosen Labyrinth der Linien zurecht. Kleiner Funfact am Rande: Ein waschechter Londoner behauptet grundlegend immer in jeder Situation ohne U-Bahn Plan auszukommen. Aber warum ist der aus heutiger Sicht stinknormale Plan so innovativ?

Vielleicht ist es Dir schon mal aufgefallen: Ein allgemeiner öffentlicher Verkehrsmittelplan verkörpert nicht die exakt geographischen Positionen der Stationen, dafür ist er meist einfach zu interpretieren. In London und dem Rest der Welt sah dies bis in die späten 20er Jahre noch ganz anders aus. Beim Betrachten eines damaligen Planes der London Underground wird schnell klar warum. Wie bei einer Landkarte waren alle Stationen und Verbindungen geographisch genauestens abgebildet. Dies war zwar richtig, wirkte jedoch auf den Betrachter extrem unübersichtlich.

Dieses Problem löste Henry Beck, ein technischer Zeichner im Jahr 1931. Wie bei einem Diagramm beschloss er mit geraden Linien und einer übersichtlichen Verteilung der Stationen den Plan zu vereinfachen. Beck hatte folgende wichtige Erkenntnis realisiert: Die exakte geographische Position der Stationen abzubilden ist sekundär. An oberste Stelle setzte er stattdessen Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit. Er löste dieses Problem damals als Erster auf diese Art und Weise. Anfangs wurde seine radikale Idee (übrigens ein persönliches Projekt von Beck) von den Transportbehörden nicht ernst genommen. Im Gegenteil, man kritisierte ihn aufs Heftigste und räumte der Karte keine Zukunft ein. Erst im Jahr 1933 bekam der Plan eine Chance, indem man ihn vorsichtig als „Alternativen-Plan“ druckte. Die Resonanz der Bevölkerung war eindeutig, und man übernahm Becks Idee umgehend.

Alle Transport-Pläne, wie wir sie heute kennen, gehen auf Henry Becks geniale Idee zurück. Das ist Innovation Made in England!

Die Schrift
Abschliessend kommen wir nochmals auf den bereits genannten Typographen Edward Johnston zurück. Dieser spielte nicht nur in der Logo Gestaltung eine tragende Rolle, er gestaltete auch jene Schriftschnitte, die in der gesamten Corporate identity zur Anwendung kamen. Sein Einfluss auf die Hausschrift der London Underground ist bis heute prägend.

Johnston wurde 1916 von Frank Pick mit der Gestaltung einer exklusiven Corporate Schrift beauftragt. Er sollte sich laut Frank Pick klassische Schriften zum Vorbild nehmen und gleichzeitig moderne und funktionale Charakterzüge unterbringen. Das Resultat war die Johnston’s typeface, eine elegante, jedoch ebenso schlichte Schrift, die heute als erste Sans Serif Schrift gilt. Wieder einmal wurde die Funktionalität in den Vordergrund gestellt. Johnston’s Beitrag zur London Underground war somit auch auf Typographischer Ebene höchst innovativ und richtungsweisend für die nächsten Jahrzehnte. Es beeinflusste viele Schriftschnitte, die bis heute allgegenwärtig sind. Beispielsweise die Entstehung der Gill Sans, da Eric Gill ein Schüler Johnsons war.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde Edward Johnstons Schrift immer wieder im Auftrag der London Transport Behörde erneuert und überarbeitet (die „New Johnston“ Schnitte). Der ursprüngliche Charakter ist jedoch unverkennbar erhalten geblieben, und auch die aktuelle Hausschrift „Johnston 100“ zollt ihrem Urvater Tribut.

London is calling! Deine nächste wichtige Messe oder Tagung findet in London statt? Wir haben auch in der britischen Hauptstadt einen Standpunkt und können Dich vor Ort unterstützen!